In der CNC-Bearbeitung von Edelstahl sind Prozessparameter niemals „nur ein Detail“ – sie sind der entscheidende Faktor für Werkzeugstandzeit, Oberflächenqualität, Maßhaltigkeit und Gesamtkosten. Als Prozessingenieur bei Neway sehe ich immer wieder, dass der Einsatz von Edelstahl ohne Verständnis seines Zerspanverhaltens einer der schnellsten Wege ist, Werkzeuge zu verbrennen, Teile zu verschrotten und Prozessstabilität zu verlieren.
Edelstähle bringen drei zentrale Herausforderungen mit sich: stark ausgeprägte Neigung zur Kaltverfestigung, hohe Schnittkräfte und eine im Vergleich zu Baustählen geringere Wärmeleitfähigkeit. Diese Eigenschaften machen sie deutlich weniger verzeihend als unlegierte Stähle, wenn Schnittgeschwindigkeiten, Vorschübe, Schnitttiefen, Werkzeuggeometrien und Kühlung nicht exakt aufeinander abgestimmt sind. In unseren CNC-Bearbeitungsservices für Edelstahl werden alle kritischen Parameter auf Basis realer Produktionsdaten berechnet, erprobt und standardisiert – nicht nach Bauchgefühl.
Dieser Leitfaden fasst sechs grundlegende Parameterdimensionen zusammen, auf die wir uns bei Neway stützen, um eine stabile Hochleistungsbearbeitung von SUS303, SUS304, SUS316, SUS420 und anderen Edelstahllegierungen zu erreichen.
Die Schnittgeschwindigkeit beeinflusst Werkzeugverschleiß, Temperatur und Kaltverfestigung direkt. Typische Startfenster beim Fräsen:
Eine zu niedrige Schnittgeschwindigkeit erhöht die Kontaktzeit und fördert starke Kaltverfestigung – das Werkzeug schneidet dann vor allem in eine verfestigte Randschicht statt in frisches Material. Eine zu hohe Geschwindigkeit treibt die Schnitttemperatur in die Höhe und beschleunigt Kolk- und Freiflächenverschleiß. Eine gut abgestimmte Schnittgeschwindigkeit:
reduziert die Tiefe der Kaltverfestigungszone,
stabilisiert die Spanbildung und
verlängert die Werkzeugstandzeit in unserer Produktionserfahrung um bis zu 30 % und mehr.
Bei Güten wie SUS420 passen wir die Schnittgeschwindigkeit an den aktuellen Härtezustand an:
Geglüht/weich: höhere Schnittgeschwindigkeiten sind zulässig,
gehärtet/angelassen oder hohe HRC-Werte: Schnittgeschwindigkeiten müssen reduziert oder auf Schleifen bzw. Hartbearbeitungskonzepte umgestellt werden.
Unsere internen Steuerungssysteme berücksichtigen Härte, Bearbeitungsoperation und historische Daten, um automatisch sichere Startwerte für die Schnittgeschwindigkeit zu empfehlen.
Für die meisten Fräsoperationen in Edelstahl liegen wir typischerweise bei:
fz = 0,08–0,15 mm/Zahn,
Schruppen: 0,12–0,15 mm/Zahn für effiziente Zerspanung,
Schlichten: 0,08–0,10 mm/Zahn für bessere Oberflächen und engere Toleranzen.
Ein zu geringer Vorschub führt zu Reibung statt Schneiden und verstärkt die Kaltverfestigung; ein zu hoher Vorschub verursacht Rattern, Werkzeugüberlastung und schlechte Oberflächenrauheit (Ra). Gut abgestimmte Vorschübe:
begünstigen saubere Spanbildung und -abfuhr,
ermöglichen Oberflächen unterhalb von Ra 0,8 µm an kritischen Flächen und
verbessern die Maßstabilität – insbesondere bei komplexen Geometrien und in der Mehrachsenbearbeitung.
Für dünnwandige Bauteile und zähe Güten wie 316L:
reduzieren wir fz auf etwa 0,05–0,08 mm/Zahn,
nutzen höhere Drehzahlen mit kleinen Spanungsdicken zur Reduzierung der Schnittkräfte und
setzen stabile trochoidale oder HSC-Bahnen ein, um Durchbiegung und Verzug zu vermeiden.
Dieses Vorgehen ist Standard in unseren Projekten für medizinische Geräte und Präzisionssteckverbinder.
Wir unterscheiden Schnitttiefenstrategien klar:
Schruppen: 2–4 mm (oder mehr, abhängig von Werkzeug und Systemsteifigkeit),
Schlichten: 0,1–0,5 mm für Maßkontrolle und Oberflächenintegrität.
Dieser gestufte Ansatz ist in der Großserienfertigung entscheidend, um Effizienz und Stabilität in Einklang zu bringen.
Übermäßige Schnitttiefe in Edelstahl führt typischerweise zu:
Rattern und welligen Oberflächen sowie
verstärkter thermischer und elastischer Verformung.
Wir setzen auf dynamische Stabilitätsanalysen und gestufte Bearbeitung, bei der der Gesamtaufmaßabtrag in mehrere kontrollierte Durchgänge aufgeteilt wird, um Resonanzen und Formfehler zu vermeiden.
Bei tiefen Taschen und lang auskragenden Merkmalen:
starten wir mit größeren Schnitttiefen in geringen Tiefen,
reduzieren Schnitttiefe und passen Vorschub/Geschwindigkeit mit zunehmender Tiefe an und
kombinieren dies mit Hochdruckkühlung und optimierten Werkzeugwegen.
Diese Vorgehensweise ist für die Maßhaltigkeit am Taschenboden und in hochpräzisen Hydraulik- oder Gehäusekomponenten essenziell.
Für Fräswerkzeuge in Edelstahl setzen wir typischerweise auf:
positiven Spanwinkel: 15–20° zur Reduzierung von Schnittkräften und Wärme,
Freiwinkel: 8–10° für gute Schneidenabstützung bei geringerem Freiflächenverschleiß,
positive Helix-/Spanwinkel-Kombination für verbesserten Spanfluss.
Schlichten: 0,2–0,4 mm Radius für geringe Schnittkräfte und feine Oberflächen,
Schruppen: 0,8–1,2 mm zur Verstärkung der Schneide und Aufnahme höherer Lasten.
Optimierte Eckenradien verbessern Oberflächenqualität und Werkzeugstandzeit gleichzeitig – in Edelstahlbearbeitungen oft um 20–25 %.
Lange, bandförmige Späne sind ein Klassiker bei Edelstahl. Wir verwenden spezielle Spanbrechergeometrien mit angepasster Nutentiefe und -winkel, um:
Späne zuverlässig zu brechen,
Einwickeln um Werkzeug oder Bauteil zu verhindern und
Prozesssicherheit und Automatisierbarkeit in Automotive- und anderen Hochvolumenlinien zu erhöhen.
Für anspruchsvolle Edelstahlschnitte setzen wir typischerweise ein:
Hochdruckkühlung: 70–100 bar,
Durchfluss: ca. 15–20 l/min (je nach Operation),
Düsen und Innenkühlkanäle direkt in die Eingriffszone gerichtet.
So werden Dampfblasen „durchbrochen“, Späne ausgespült, Temperaturen reduziert und Schneiden geschützt.
Flutkühlung: allgemeines Fräsen/Drehen von Standardgüten,
MQL/Nebelschmierung: ausgewählte Operationen mit minimalem Kühlschmierstoffbedarf oder hohen Sauberkeitsanforderungen,
Hochdruck: Bohren, Gewindeschneiden, tiefe Nuten, schwer zerspanbare Legierungen.
Bei Komponenten für die Lebensmittel- & Getränkeindustrie stellen wir zusätzlich sicher, dass Kühlschmierstoffsysteme und -chemie mit Hygiene- und Kompatibilitätsanforderungen im Einklang stehen.
Wir halten typischerweise:
Konzentration: 8–12 %,
pH-Wert: 8,5–9,5.
Regelmäßige Überwachung stellt eine konstante Schmier-, Kühl- und Korrosionsschutzwirkung sicher – zum Schutz von Werkzeugen und Edelstahloberflächen.
In der Edelstahlbearbeitung setzen wir standardmäßig auf Gleichlauffräsen:
geringere Schnittkräfte und weniger Reiben,
bessere Oberflächen und reduzierte Kaltverfestigung.
Nur in wenigen, kantenkritischen Fällen verwenden wir gezielt Gegenlaufschnitte.
Bei hochfesten oder gehärteten Edelstählen nutzen wir routinemäßig trochoidale Strategien, um:
den Eingriffsquerschnitt konstant und niedrig zu halten,
Spanverdünnung und Wärmeeinbringung zu optimieren und
Werkzeugstandzeit und Zeitspanvolumen gleichzeitig zu steigern.
Wir verwenden Bogen- oder Helix-Einstechen und tangentiales Auslaufen, um:
Stoßbelastungen und Schneidenausbrüche zu vermeiden,
sichtbare Stillstandsmarken zu verhindern und
Stabilität auf komplexen 5-Achs-Flächen zu gewährleisten.
Ein robustes Basis-Setup für Schruppen/Schlichten:
Vc ≈ 100 m/min,
fz ≈ 0,12 mm/Zahn,
ap ≈ 2 mm,
Hochdruckkühlung ≈ 80 bar.
Nutzung der Schwefel/Selen-Zusätze:
Vc ≈ 130 m/min,
fz ≈ 0,15 mm/Zahn,
ap ≈ 3 mm,
Dabei wird die Kühlschmierstoffqualität überwacht, um Korrosionsrisiken im Zusammenhang mit Schwefelrückständen zu minimieren.
Für eine stabile Bearbeitung:
Vc ≈ 90 m/min,
fz ≈ 0,10 mm/Zahn,
ap ≈ 1,5 mm,
TiAlN-beschichtete Werkzeuge sind dringend zu empfehlen.
Neway verwendet ein werkstoff- und werkzeugbasiertes Modell, das Anfangswerte für Geschwindigkeit, Vorschub und Schnitttiefe anhand folgender Faktoren vorschlägt: Festigkeit, Härte, Zähigkeit, Kaltverfestigungsindex, Werkzeugdurchmesser, Schneidenzahl und Systemsteifigkeit. Damit liegen wir in der Praxis meist bereits innerhalb von rund 85 % des final optimierten Fensters und verkürzen die Einlaufphase deutlich.
Während der Validierung:
analysieren wir Spanfarbe und -form,
überwachen Schneidgeräusche und Vibrationen und
prüfen Bauteiltemperatur und Oberflächenintegrität.
Die Parameter werden iterativ angepasst, bis das Zielgleichgewicht aus Oberflächengüte, Toleranz und Werkzeugstandzeit erreicht ist.
In großen Serien setzen wir ein:
Online-Überwachung wichtiger Kenngrößen (Leistungsaufnahme, Vibration, Temperatur),
SPC auf kritischen Merkmalen zur frühzeitigen Drift-Erkennung und
standardisiertes Werkzeuglebensdauer- und Offset-Management.
So bleiben Prozessfähigkeit und Bauteilqualität über tausende Edelstahlkomponenten hinweg stabil.
Wir nutzen interne KI-Modelle, die auf realen Bearbeitungsdaten (Werkzeugverschleiß, Kräfte, Ra-Werte, Maßtrends) trainiert sind, um:
verbesserte Schnittbedingungen vorzuschlagen,
werkstoffspezifische Datenbanken kontinuierlich zu verfeinern und
die Effizienz im Vergleich zu rein katalogbasierten, konservativen Setups um bis zu 25 % zu steigern.
Mit Schwingungssensoren, akustischer Emissionsüberwachung und Thermografie an ausgewählten Linien:
erkennen unsere Systeme atypisches Rattern, Überlast oder Temperatursprünge frühzeitig und
lösen Parameteranpassungen oder Werkzeugwechsel aus, bevor Qualitätsprobleme entstehen.
Alle Prozessdaten – von CAD/CAM und CNC-Logs bis hin zu CMM-Berichten – fließen in unseren Präzisionsbearbeitungs-Workflow zurück. So stellen wir sicher, dass ein einmal optimiertes Parameterset für ein Edelstahlbauteil reproduzierbar, rückverfolgbar und skalierbar bleibt.
Mit abgestimmten Parametern und Beschichtungen gelingt es uns regelmäßig:
Werkzeugstandzeiten um 20–30 % zu verlängern,
ungeplante Werkzeugwechsel zu reduzieren und
die Werkzeugkosten pro Teil deutlich zu senken.
Optimierte Vorschübe und Geschwindigkeiten können das Zeitspanvolumen in bestimmten Operationen um bis zu 40 % steigern – und damit Produktionszeiten verkürzen und die Liefertreue bei Großserienaufträgen direkt verbessern.
Stabile, datenbasierte Parameter:
erhöhen die Erstgutquote,
reduzieren Nacharbeit und Ausschuss und
sichern gleichbleibende Qualität für anspruchsvolle Branchen wie Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik, Lebensmittel und chemische Verfahrenstechnik.
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