Die Wahl der Werkzeugmarke und Beschichtung ist kein nebensächliches Detail, sondern eine grundlegende Prozessvariable, die über Erfolg oder Misserfolg einer Bearbeitung entscheidet. Der Einfluss auf empfohlene Parameter ist erheblich – Anpassungen der Schnittgeschwindigkeit (SFM) um 15 % bis 50 % oder mehr sind häufig erforderlich – ebenso wie Änderungen des Vorschubs und der Werkzeugstandzeit. Alle Werkzeuge als gleich zu behandeln, ist ein kritischer Fehler. Die Faustregel lautet: Die Beschichtung bestimmt das „obere Limit“ der Geschwindigkeit, während das Substrat und die Geometrie der Werkzeugmarke die „Basis“ für Vorschub, Steifigkeit und Stabilität bilden.
Beschichtungen sind speziell entwickelte Oberflächenschichten, die die Werkzeugleistung verbessern, indem sie Wärme steuern und Verschleiß reduzieren. Ein Wechsel der Beschichtung erfordert häufig eine direkte Anpassung der Schnittgeschwindigkeit (SFM).
Unbeschichtetes Hartmetall: Der Ausgangspunkt. Es ist zäh, bietet jedoch begrenzte Wärme- und Verschleißbeständigkeit. Wird bei unterbrochenen Schnitten oder Anwendungen eingesetzt, bei denen Schärfe entscheidend ist, erfordert jedoch konservative Schnittgeschwindigkeiten.
TiN (Titannitrid): Eine universelle Beschichtung. Ermöglicht eine 10–20 % höhere SFM als unbeschichtete Werkzeuge. Gut geeignet für Kohlenstoff- und legierte Stähle, aber weniger effektiv für Edelstahl oder Hochtemperaturlegierungen.
TiAlN (Titan-Aluminiumnitrid) / AlTiN (Aluminium-Titannitrid): Der Standard für Edelstahl und hitzebeständige Legierungen. Diese Beschichtungen bilden bei hohen Temperaturen eine stabile Aluminiumoxidschicht, die das Werkzeug schützt. Sie ermöglichen eine 25–50 % höhere SFM als unbeschichtete Werkzeuge und sind unerlässlich für Werkstoffe wie SUS304 oder SUS316, die zum Kaltverfestigen neigen.
CrN (Chromnitrid) / TiCN (Titan-Carbo-Nitrid): Hervorragend geeignet für abrasive Werkstoffe und Nichteisenmetalle. Sie bieten hohe Gleitfähigkeit und reduzieren Aufbauschneidenbildung. Sie erlauben möglicherweise nicht dieselbe Geschwindigkeitssteigerung wie TiAlN bei Stahl, sind jedoch ideal für Aluminium, Kupfer und Kunststoffe.
Praktische Auswirkung: Wenn Sie von einem unbeschichteten Werkzeug zu einem TiAlN-beschichteten Werkzeug für die Edelstahlbearbeitung wechseln, sollten Sie Ihre SFM sofort um 30–40 % erhöhen, um die hitzebeständigen Eigenschaften der Beschichtung optimal zu nutzen. Wenn Sie die unbeschichteten Schnittwerte beibehalten, verschenken Sie das Potenzial der Beschichtung.
Über die Beschichtung hinaus bestimmen Marke und Produktlinie das Kernwerkzeug – das Hartmetallsubstrat (Kombination aus Zähigkeit und Härte) und die Schneidengeometrie (Spanwinkel, Drallwinkel, Nutendesign).
Substratqualität:
Premium-Marken (z. B. Sandvik, Kennametal, Iscar): Investieren stark in F&E und entwickeln spezielle Substratqualitäten. Eine „Edelstahlqualität“ eines Premiumherstellers verfügt über eine feinkörnige Mikrostruktur, die für die Kombination aus Zähigkeit und Wärmebeständigkeit optimiert ist. Dadurch sind aggressivere Vorschübe und bessere Leistungen bei unterbrochenen Schnitten möglich als bei einem Standard-C2/C3-Substrat.
Generische / günstige Marken: Verwenden oft universelle Substrate. Sie sind kostengünstig, können jedoch nicht dieselben Spanvolumenraten erreichen und erfordern konservativere Parameter, um Ausbrüche und schnellen Verschleiß zu vermeiden.
Werkzeuggeometrie:
Hochleistungsgeometrien: Premium-Marken bieten Werkzeuge mit optimierter variabler Teilung und variablen Drallwinkeln an. Diese Designs dämpfen Vibrationen, ermöglichen größere Schnitttiefen und Vorschübe ohne Rattern. Der Wechsel zu einem solchen Werkzeug kann eine Vorschuberhöhung um 15–25 % erlauben oder die Oberflächenqualität in instabilen Aufspannungen deutlich verbessern.
Anwendungsspezifische Designs: Das beste Werkzeug ist das, dessen Geometrie speziell für Ihr Material entwickelt wurde. Ein Werkzeug für Aluminium (hoher Spanwinkel, scharfe Schneide) versagt katastrophal bei Edelstahl – unabhängig von der Beschichtung.
Beim Wechsel der Werkzeugmarke oder Beschichtung sollte dieser ingenieurtechnische Ansatz befolgt werden:
Mit den Herstellerdaten beginnen: Seriöse Marken liefern detaillierte technische Datenblätter mit empfohlenen SFM- und Vorschubwerten (IPT) für verschiedene Werkstoffe. Diese sind der verlässlichste Ausgangspunkt – weit besser als allgemeine Tabellen.
Den „Beschichtungsfaktor“ anwenden: Wenn Sie innerhalb derselben Werkzeugfamilie die Beschichtung wechseln, verwenden Sie bekannte Multiplikatoren (z. B. +30 % SFM für TiAlN im Vergleich zu unbeschichtet).
Vergleichen und bewerten: Wenn Sie von einem generischen zu einem Premium-Werkzeug wechseln, starten Sie mit den empfohlenen Parametern der Premium-Marke. Diese sind oft aggressiver als das, was mit dem bisherigen Werkzeug möglich war. Übernehmen Sie die alten Werte nicht als sichere Basis.
Testschnitt durchführen und beobachten: Die Praxis liefert den Beweis. Fahren Sie das neue Werkzeug kurz mit den berechneten Parametern und analysieren Sie den Span als primären Indikator.
Gut: Strohfarbener, eng gewickelter Span.
Zu heiß (blaue Späne): SFM reduzieren.
Reibung / quietschende Geräusche (silberne Späne): Vorschub erhöhen.
Ein Werkzeug ist kein bloßes Verbrauchsmaterial, sondern ein zentrales Element des Bearbeitungssystems. Marke und Beschichtung haben einen direkten, messbaren Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Zerspanung – sie bestimmen Zykluszeiten, Standzeiten, Ausschussraten und Teilequalität. In unserem Präzisionsbearbeitungsservice ist dieses Wissen fester Bestandteil der Prozessplanung. Wir wählen gezielte Werkzeugkombinationen – etwa einen TiAlN-beschichteten Premium-Fräser mit variabler Steigung für die Fünfachsbearbeitung von Titan – weil sie uns erlauben, mit bewährten, optimierten Parametern zu arbeiten, die Stabilität und Qualität garantieren und die höheren Werkzeugkosten durch überlegene Leistung und Zuverlässigkeit rechtfertigen.