Aus werkstofftechnischer und konstruktiver Sicht haben Oberflächenbehandlungen einen tiefgreifenden und zugleich ambivalenten Einfluss auf die Ermüdungsfestigkeit von Titanlegierungen – ein entscheidender Faktor für Bauteile in der Luft- und Raumfahrt, bei medizinischen Implantaten und anderen sicherheitskritischen Anwendungen. Da Ermüdungsrisse in der Regel an der Oberfläche entstehen, beeinflusst jede Veränderung der Oberflächenbeschaffenheit, des Eigenspannungszustands oder der Materialeigenschaften direkt die Ermüdungsleistung.
Einführung von Spannungskonzentrationen: Verfahren wie Anodisierung (bei Titan) und Galvanisieren können eine spröde, keramische Oberfläche mit mikroskopischen Rissen oder rauer Morphologie erzeugen. Diese Mikrodefekte dienen als Initiationsstellen für Ermüdungsrisse und verkürzen die Lebensdauer deutlich. Anodisierung kann die Hochzyklus-Ermüdungsfestigkeit von Titan um 10–30 % verringern, wenn sie nicht streng kontrolliert wird.
Wasserstoffversprödung: Bestimmte elektrochemische Verfahren, einschließlich einiger Anodisierungs- und Beschichtungsbäder, können atomaren Wasserstoff in das Titan einbringen. Dies führt zu Versprödung, verringert die Bruchzähigkeit und beschleunigt das Risswachstum – eine kritische Ausfallursache bei präzise gefertigten Titan-CNC-Bauteilen unter dynamischer Belastung.
Mikrostrukturelle Schädigung: Aggressives Sandstrahlen oder Strahlen mit ungeeigneten Medien oder Drücken kann die Oberfläche plastisch verformen, Mikrokerben erzeugen und die oberflächennahe Mikrostruktur verändern, wodurch eine weniger schadenstolerante Schicht entsteht.
Einbringen von Druckeigenspannungen: Dies ist der effektivste Mechanismus zur Verbesserung der Ermüdungsfestigkeit. Verfahren wie Kugelstrahlen und Laserstrahlen verformen die Oberfläche lokal plastisch. Dadurch entsteht eine tiefe Druckeigenspannungsschicht, die erst durch äußere Zuglasten überwunden werden muss, bevor ein Riss entstehen kann. Dadurch kann sich die Ermüdungslebensdauer um 100 % oder mehr erhöhen.
Oberflächenglättung und Defektentfernung: Verfahren wie Elektropolieren und mechanisches Polieren entfernen mikroskopische Kratzer und Bearbeitungsspuren aus dem CNC-Bearbeitungsprozess und schaffen so eine glatte, rissresistente Oberfläche.
Um negative Effekte zu minimieren und positive zu nutzen, ist ein kontrollierter, integrierter Ansatz vom Design bis zur Fertigung erforderlich.
Prozessauswahl und -spezifikation:
Für ermüdungskritische Bauteile sollte Kugelstrahlen als Basisbehandlung spezifiziert werden. Der Prozess muss gemäß Normen (z. B. AMS 2432) definiert sein, einschließlich Mediumtyp, Intensität und Abdeckungsgrad.
Wenn Anodisierung für Korrosions- oder Verschleißschutz erforderlich ist, sollte eine dünne, kontrollierte Schicht spezifiziert und nach dem Kugelstrahlen aufgebracht werden. Die durch das Strahlen erzeugte Druckeigenspannung ist entscheidend und darf durch nachfolgende Hochspannungsprozesse nicht geschwächt werden.
Prozessparameterkontrolle:
Anodisierung: Verwenden Sie niedrigere Spannungen, um eine dünnere, duktilere Oxidschicht zu erzeugen. Elektrolytzusammensetzung und Temperatur müssen kontrolliert werden, um Wasserstoffaufnahme zu minimieren.
Kugelstrahlen: Almen-Intensität streng kontrollieren, um die gewünschte Drucktiefe zu erzielen, ohne Überstrahlen, was zu Rauigkeit und Ermüdungsnachteilen führen kann.
Reihenfolge der Bearbeitungsschritte: Die Abfolge der Prozesse ist entscheidend. Für ein ermüdungskritisches Bauteil ist folgende Reihenfolge optimal:
Endbearbeitung mit präziser Oberflächenqualität
Spannungsarmglühen (falls erforderlich)
Kugelstrahlen (Einbringen von Druckeigenspannungen)
Niedrigbelastende Oberflächenbehandlung (z. B. dünne Anodisierung oder Passivierung)
Nachbehandlungsvalidierung:
Regelmäßige Biege- oder Ermüdungsprüfungen an Referenzproben durchführen, die parallel zu Serienbauteilen verarbeitet werden, um die Prozessqualität zu überwachen.
Mittels Röntgendiffraktometrie (XRD) die Größe und Tiefe der erzeugten Druckeigenspannungen aus Strahlprozessen messen.
Konstruktionsgerechte Fertigung: Bereits in der Prototypenphase mit dem Fertigungspartner zusammenarbeiten. Scharfe Kanten vermeiden und geeignete Radien vorsehen, um Synergie mit dem Kugelstrahlprozess zu schaffen und Spannungsspitzen zu vermeiden, die nicht durch Druckeigenspannung kompensiert werden können.