Passivierung und Elektropolieren sind entscheidende Nachbearbeitungsverfahren, die speziell darauf ausgelegt sind, die natürliche Korrosionsbeständigkeit von Edelstahl und anderen Legierungen zu maximieren. Beide verfolgen dieses Ziel, beruhen jedoch auf grundlegend unterschiedlichen Prinzipien und bieten jeweils spezifische Vorteile. Das Verständnis der Mechanismen hinter beiden Verfahren ist entscheidend, um das richtige Finish auszuwählen, das die Leistungsanforderungen Ihrer Anwendung erfüllt.
Die Passivierung ist ein präziser chemischer Prozess, der die Abmessungen des Bauteils nicht mechanisch verändert und dessen Oberflächenerscheinung nur geringfügig beeinflusst. Ihre Hauptfunktion besteht darin, die schützende Oxidschicht wiederherzustellen und zu optimieren, die Edelstahl „rostfrei“ macht.
Der Prozess funktioniert wie folgt:
Entfernung von Verunreinigungen: Während des Zerspanens, Trennens oder Schleifens werden mikroskopische Partikel von freiem Eisen (Fe) auf die Oberfläche des Edelstahls geschmiert und darin eingebettet. Diese Eisenpartikel sind gegenüber dem chromreichen Grundmaterial anodisch und bilden Ausgangspunkte für lokale galvanische Korrosion, Rost und Lochfraß. Das Bauteil wird in ein Bad aus Salpeter- oder Zitronensäure eingetaucht, das diese eingebetteten freien Eisenverunreinigungen selektiv auflöst und entfernt, ohne das Grundmaterial nennenswert anzuätzen.
Reformation der Oxidschicht: Das Säurebad entfernt außerdem die vorhandene, häufig beeinträchtigte Passivschicht. Sobald die chemischen Verunreinigungen entfernt sind und das Bauteil mit Sauerstoff aus der Luft oder dem Spülwasser in Kontakt kommt, bildet sich auf der frisch freigelegten Oberfläche spontan eine neue, gleichmäßige und nicht reaktive Chromoxid-Schicht (Cr₂O₃). Diese neue Schicht ist dicker, gleichmäßiger und chemisch stabiler als diejenige, die nach der Bearbeitung vorhanden war.
Im Kern macht die Passivierung das Metall nicht „besser“, sondern ermöglicht es ihm, seine maximale potenzielle Korrosionsbeständigkeit zu erreichen, indem sie ideale Bedingungen für die Bildung einer überlegenen Passivschicht schafft. Sie ist der essentielle und unverzichtbare letzte Schritt für jedes CNC-bearbeitete Edelstahlteil, das in korrosiven Umgebungen eingesetzt wird.
Das Elektropolieren ist ein elektrochemischer Prozess, der als kontrollierte Umkehrung der Galvanisierung fungiert. Es verbessert die Korrosionsbeständigkeit auf mehreren Ebenen, indem es die Oberfläche sowohl physikalisch als auch chemisch verändert.
Der Prozess umfasst das Eintauchen des Bauteils als Anode in ein temperaturkontrolliertes Elektrolytbad (typischerweise eine Säuremischung) und das Anlegen eines Gleichstroms. Die wichtigsten Effekte sind:
Mikro-Glättung und Entgratung: Der elektrische Strom bewirkt, dass Metallionen von der Oberfläche in Lösung gehen. Aufgrund der höheren Stromdichte an Erhebungen (Peaks und Mikrograte) wird dort mehr Material abgetragen als in Vertiefungen. Dies führt zu einem Einebnen der Oberfläche und erzeugt ein glattes, nahezu spiegelndes Finish, das die für korrosive Medien zugängliche Oberfläche reduziert.
Verbesserung der Mikrostruktur: Elektropolieren entfernt bevorzugt eingebettete Verunreinigungen, Einschlüsse und die durch die Bearbeitung kaltverfestigte Randschicht. Zurück bleibt eine sauberere, metallurgisch homogenere Oberfläche.
Anreicherung der Passivschicht: Entscheidend ist, dass der Prozess Eisen an der Oberfläche schneller entfernt als Chrom. Dadurch wird die oberste Schicht mit einem höheren Chromanteil angereichert. Wenn das Bauteil entnommen und gespült wird, bildet diese chromreiche Oberfläche eine dickere, robustere und chemisch homogenerere Passivoxidschicht, als dies durch Passivierung allein möglich wäre.
Damit verbessert das Elektropolieren die Materialoberfläche aktiv, indem es sie glatter, sauberer und aufgrund der Chromanreicherung von Natur aus korrosionsbeständiger macht.
Die Wahl zwischen Passivierung und Elektropolieren hängt von den funktionalen und optischen Anforderungen der Anwendung ab.
Faktor | Passivierung | Elektropolieren |
|---|---|---|
Prozess | Chemisch | Elektrochemisch |
Materialabtrag | Vernachlässigbar (typisch < 0,1 µm) | Signifikant (typisch 15–40 µm) |
Primäre Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit | Entfernt Verunreinigungen, um eine optimale Passivschichtbildung zu ermöglichen. | Erzeugt eine glattere Oberfläche und eine dickere, chromangereicherte Passivschicht. |
Oberflächenfinish | Keine sichtbare Änderung des Erscheinungsbildes oder der Rauheit. | Erzeugt ein helles, spiegelähnliches, glattes Finish. |
Entgratung | Nein | Ja, wirksam bei Mikrograten. |
Ideal für | Alle Edelstahlteile, bei denen Maßstabilität kritisch ist und kein kosmetisches Finish erforderlich ist. Unverzichtbar für Komponenten in Medizin-, Luft- und Raumfahrt- sowie Lebensmittelanwendungen. | Teile, die eine hygienische, leicht zu reinigende Oberfläche (Medizin, Pharma, Lebensmittel & Getränke), überlegene Korrosionsbeständigkeit in aggressiven Umgebungen (Marine, Chemie) und ein hochglänzendes Erscheinungsbild erfordern. |
Sowohl Passivierung als auch Elektropolieren sind nicht nur kosmetische Behandlungen, sondern technisch kritische Prozesse, die die Oberflächenintegrität von Edelstahl grundlegend verbessern. Passivierung ist die wirtschaftliche Basis, um die Korrosionsbeständigkeit durch gründliche Reinigung der Oberfläche sicherzustellen. Elektropolieren ist ein hochwertiger Prozess, der die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Oberfläche aktiv aufwertet. Für besonders anspruchsvolle Anwendungen in Branchen wie Medizintechnik oder der Luft- und Raumfahrt ist Elektropolieren häufig die spezifizierte Wahl, da es das höchstmögliche Niveau an Leistung und Reinheit bietet.