Die Bearbeitung von Inconel 718 – einer ausscheidungshärtbaren Nickel-Chrom-Superlegierung – stellt eine der größten Herausforderungen in der Fertigung dar. Ursache dafür sind die hohe Festigkeit bei erhöhten Temperaturen, die starke Kaltverfestigungstendenz und die abrasive Mikrostruktur. Daher ist die Auswahl des Werkzeugmaterials keine Frage der Präferenz, sondern eine entscheidende ingenieurtechnische Entscheidung, die über die Machbarkeit, Kosten und den Erfolg des Bearbeitungsprozesses bestimmt. Die aggressive Natur von Inconel 718 zerstört Standardwerkzeuge in kürzester Zeit und erfordert den Einsatz spezialisierter, leistungsstarker Schneidstoffsubstrate und Beschichtungen.
Für die meisten CNC-Fräs- und CNC-Drehoperationen an Inconel 718 sind Hartmetallwerkzeuge der Standard und die vielseitigste Wahl. Allerdings ist Hartmetall nicht gleich Hartmetall.
Submikrokörniges oder ultrafeines Hartmetall: Standard-Hartmetalle bieten nicht die nötige Zähigkeit und Temperaturbeständigkeit. Submikrokörnige Hartmetalle (Korngröße < 0,5 µm) sind unerlässlich. Ihre extrem feine Mikrostruktur bietet ein optimales Verhältnis von Härte (zur Verschleißresistenz) und Biegefestigkeit (zur Vermeidung von Ausbrüchen und Brüchen bei hohen Schnittkräften und intermittierenden Schnitten).
Stark definierte Schneidkantenpräparation: Eine zu scharfe Schneidkante ist anfällig für Kerbverschleiß und thermische Risse. Werkzeuge für Inconel 718 sind daher mit einer kontrollierten Kantenverrundung (Hone) oder einer Fase (T-Land) versehen. Diese Geometrie stärkt die Schneidkante, reduziert Spannungsspitzen und hilft, die hohen Temperaturen an der Werkzeug-Schneidstelle zu beherrschen.
Ein unbeschichtetes Hartmetallwerkzeug versagt bei Inconel 718 extrem schnell. Die Beschichtung ist keine Option, sondern eine technische Notwendigkeit zur Wärme- und Diffusionskontrolle.
PVD-Beschichtungen (Physical Vapor Deposition): PVD TiAlN (Titanaluminiumnitrid) und Varianten wie AlTiN gelten als Goldstandard. Der Aluminiumanteil bildet bei hohen Temperaturen eine stabile, schützende Aluminiumoxidschicht, die Wärme vom Substrat weg in den Span reflektiert. Neuere Generationen, wie nanokomposite nACo-Beschichtungen, bieten noch höhere Härte und thermische Stabilität. Diese dünnen, harten Schichten erhalten die Schärfe der Schneidkante, was entscheidend für die Kontrolle der Schnittkräfte ist.
CVD-Beschichtungen (Chemical Vapor Deposition): CVD-Beschichtungen wie TiCN oder Al₂O₃ sind extrem hart und verschleißfest, aber aufgrund ihrer Dicke und Sprödigkeit weniger geeignet für die unterbrochenen Schnitte, die bei der Fräsbearbeitung von Inconel typisch sind. Sie kommen eher bei stabilen, kontinuierlichen Drehoperationen zum Einsatz.
Für Feinbearbeitungen mit höchsten Oberflächenanforderungen und engen Toleranzen können Cermets (keramisch-metallische Verbundwerkstoffe) vorteilhaft sein. Sie bieten hervorragende Schneidkantenstabilität, exzellente Verschleißfestigkeit und geringe Reibung, was die Gratbildung minimiert. Aufgrund ihrer geringeren Bruchzähigkeit im Vergleich zu Premium-Hartmetallen sind sie jedoch ungeeignet für Schruppbearbeitungen oder unterbrochene Schnitte.
Für Hochserienfertigung oder besonders anspruchsvolle Bearbeitungen werden noch spezialisiertere Schneidstoffe eingesetzt.
Siliziumnitrid (SiAlON)-Keramik: Diese Werkzeuge eignen sich hervorragend für das Hochgeschwindigkeits-Schruppen und -Halbschlichten von Nickelbasis-Superlegierungen. Sie können mit Schnittgeschwindigkeiten arbeiten, die fünf- bis zehnmal höher sind als bei Hartmetall, vorausgesetzt, Maschine und Aufspannung sind extrem steif. Dank ihrer hohen Warmhärte bleiben sie auch bei Temperaturen leistungsfähig, bei denen Hartmetall erweicht. Aufgrund ihrer Sprödigkeit sind sie jedoch nicht für unterbrochene Schnitte geeignet.
Kubisches Bornitrid (CBN): CBN ist nach Diamant das zweithärteste Schneidmaterial. Varianten mit niedrigem CBN-Gehalt (keramischer Binder) werden für kontinuierliche Schnitte an gehärteten Materialien verwendet. Bei der Bearbeitung von lösungsgeglühtem Inconel 718 werden gelegentlich hochkonzentrierte CBN-Sorten mit metallischem Binder für das Finishen eingesetzt. Sie bieten hervorragende Verschleißbeständigkeit und Maßhaltigkeit, sind jedoch teuer und vibrationsempfindlich.
Polykristalliner Diamant (PKD): PKD wird für Inconel nicht empfohlen, da er bei hohen Temperaturen chemisch reagiert (Graphitisierung) und dadurch rasch zerstört wird.
Die Auswahl des Werkzeugmaterials ist nur ein Teil der Lösung. Die erfolgreiche Bearbeitung von Inconel 718 erfordert eine ganzheitliche Strategie:
Maximale Steifigkeit: Jegliche Vibration oder Schwingung zerstört das Werkzeug sofort, unabhängig von dessen Qualität. Eine stabile Maschine, kurze Werkzeugauskragung und solide Spannvorrichtungen sind zwingend erforderlich.
Kühlstrategie: Hochdruck-Kühlschmierung mit durch das Werkzeug geführtem Kühlmittel ist stark zu empfehlen. Sie reduziert thermischen Schock, spült Späne effektiv ab und verhindert ein erneutes Schneiden, was die Werkzeugschneide schützt.
Optimierte Schnittparameter: Eine moderate radiale Zustellung und ein gleichmäßiger, ausreichender Vorschub sind entscheidend, um stets unterhalb der kaltverfestigten Schicht des vorherigen Schnitts zu schneiden.