Aus thermotechnischer und werkstoffwissenschaftlicher Sicht ist eine gut konstruierte Wärmedämmschicht (Thermal Barrier Coating, TBC) eine Schlüsseltechnologie moderner Gasturbinen. Sie ermöglicht den Betrieb bei Temperaturen, die weit über dem Schmelzpunkt der zugrunde liegenden Superlegierung liegen. Die erzielte Temperaturreduktion ist kein fixer Wert, sondern hängt stark vom Systemdesign, den Eigenschaften der TBC, dem Kühlsystem und den Einsatzbedingungen ab.
Ein robustes, technisch ausgereiftes TBC-System kann die Temperatur des metallischen Substrats typischerweise um 150°C bis 250°C (270°F bis 450°F) senken. In fortschrittlichen, optimal ausgelegten Systemen mit interner Bauteilkühlung kann die Reduktion sogar 300°C (540°F) oder mehr betragen.
Basisleistung: Für viele industrielle und Luft- und Raumfahrt-Turbinenblätter und -leitschaufeln gilt eine Reduktion von ca. 200°C als typischer Zielwert. Dies führt direkt zu höherem Wirkungsgrad (durch höhere Eintrittstemperaturen) und deutlich verlängerter Lebensdauer, da Kriech- und thermische Ermüdungsbelastungen reduziert werden.
Wirkmechanismus: Die TBC „absorbiert“ keine Wärme, sondern wirkt als thermischer Isolator. Sie erzeugt einen starken Temperaturgradienten über ihre Dicke hinweg, dank der sehr geringen Wärmeleitfähigkeit der keramischen Deckschicht, die meist aus yttriumstabilisierter Zirkonia (YSZ) besteht.
Der tatsächliche Temperaturabfall (ΔT) wird durch Fourier’sches Wärmeleitungsgesetz beschrieben: ΔT = (Q * t) / k, wobei:
Q der Wärmestrom ist,
t die Schichtdicke,
k die Wärmeleitfähigkeit der Beschichtung.
Daraus ergeben sich die wichtigsten Stellgrößen im TBC-Design:
Schichtdicke: Eine Verdopplung der Dicke führt theoretisch zu einer Verdopplung des Temperaturabfalls. Praktische Grenzen ergeben sich jedoch durch Eigenspannungen, Gewicht und das Risiko von Abplatzungen (Spallation). Typische Schichtdicken liegen zwischen 100 und 400 µm.
Wärmeleitfähigkeit (k): Dies ist die entscheidende Materialeigenschaft. Standard-YSZ hat eine Leitfähigkeit von etwa 2,3 W/m·K. Fortschrittliche Verfahren wie EB-PVD erzeugen eine poröse, säulenförmige Mikrostruktur, die die effektive Leitfähigkeit auf etwa 1,5 W/m·K senken kann. Neuere Materialien wie Gadolinium-Zirkonat (GZ) besitzen eine noch geringere intrinsische Leitfähigkeit.
Systemdesign – Haftschicht und TGO: Die Leistung resultiert aus dem Gesamtsystem – bestehend aus dem Superlegierungs-Substrat (z. B. Inconel 718), der oxidationsbeständigen Haftschicht (z. B. MCrAlY) und der thermisch gewachsenen Oxidschicht (TGO, meist Al₂O₃). Eine stabile, langsam wachsende TGO ist entscheidend für die Langzeit-Haftfestigkeit der TBC.
Synergie mit interner Kühlung: Die Wirksamkeit der TBC wird deutlich erhöht, wenn sie mit internen Kühlkanälen kombiniert wird. Die Beschichtung reduziert den Wärmestrom in das Bauteil, wodurch die interne Kühlluft effizienter wirkt. So sinkt die Metalltemperatur stärker, als es jede Technologie allein erreichen könnte.
Haltbarkeit und Abplatzungen: Der Hauptversagensmechanismus ist das Abplatzen (Spallation), verursacht durch Spannungen infolge von Wärmeausdehnungsunterschieden und TGO-Wachstum. Die maximal nutzbare Schichtdicke wird oft eher durch diese Spannungen als durch das Isolationspotenzial begrenzt.
Herstellung und Reparatur: Das Aufbringen von TBCs mittels Air Plasma Spraying (APS) oder Elektronenstrahl-Physikalischer Gasphasenabscheidung (EB-PVD) ist ein hochspezialisierter Prozess. Die Qualität der Grundbearbeitung und der Oberflächenvorbereitung ist entscheidend für die Haftung. Reparaturfähigkeit ist ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor in der Turbineninstandhaltung.
Anwendungsspezifisches Design: Das „optimale“ TBC-System unterscheidet sich zwischen einer Energieerzeugungs-Turbine (Langzeitstabilität) und einem Luftfahrttriebwerk (thermomechanische Ermüdungsfestigkeit). Das Design muss durch intensive thermische Zyklustests validiert werden.